Umwandlungssätze

Rentenversprechen die Löcher reissen
Jeder Versicherte spart für sich selber– dies ist die Grundlage des Vorsorgesparens in der beruflichen Vorsorge. Mit den geleisteten Sparbeiträgen während des Erwerbslebens und den Zinsgutschriften der Pensionskasse bildet sich jeder einzelne sein eigenes Alterskapital. Nach der Pensionierung dienen die Renten aus der ersten und zweiten Säule für den Lebensunterhalt und decken rund 60 Prozent des letzten Lohnes ab. Zusehends zerfällt jedoch dieses gesteckte Leistungsziel. Die steigende Lebenserwartung sowie das anhaltend tiefe Zinsniveau schmälern die zukünftigen Renten folgenschwer.

Mit dem Umwandlungssatz wird aus dem Altersguthaben die jährliche Altersrente berechnet. Der Mindestumwandlungssatz von 6.8 Prozent schreibt vor, wie das Altersguthaben im Zeitpunkt des ordentlichen Rentenalters in der obligatorischen beruflichen Vorsorge in eine Rente umzurechnen ist. Ein Alterskapital von 500'000 Franken wird in eine jährliche Rente von 34'000 Franken umgewandelt. Der heutige Mindestumwandlungssatz stammt aus Zeiten mit noch kürzerer Lebenserwartung und höheren Renditen. In zwei Volksabstimmungen versuchte man den neuen Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen und plädierte auf eine Senkung des Mindestumwandlungssatzes. Der Wiederstand der Politik und des Schweizer Volkes war gross. Folglich werden weiterhin zu hohe Renten ausbezahlt. Finanziert werden diese nicht mehr durch das eigens angesparte Kapital, sondern durch Mittel der Pensionskassen, die eigentlich für die Stabilität der Pensionskasse und Zinszahlungen an die Aktivversicherten bestimmt sind. Gemäss Angaben der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV) wurde allein im Jahr 2019 horrende 7.2 Milliarden Franken umverteilt. Dieses Geld fehlt für jene, die noch arbeiten und eigentlich für die eigene Rente ansparen sollten.

Bereits vor einigen Jahren haben die Pensionskassen reagiert und bei Neurenten den Rotstift angesetzt. Ausführbar ist eine Kürzung jedoch nur, wenn für die Rentenberechnung überobligatorisches Altersguthaben vorhanden ist. Im Überobligatorium gelten keine politisch vorgegebenen Parameter. Die Pensionskassen können die Leistungsgrösse generell nach freiem Ermessen festlegen. Angespart wird überobligatorisches Guthaben mit Sparbeiträgen auf Lohnanteilen über der BVG-Lohngrenze von zurzeit 85'320 Franken oder mit höheren Altersgutschriften als gesetzlich vorgegeben. Sammelstiftungen mit Vollversicherungsdeckung wenden ein Kapitalsplitting an. Sie gewähren unterschiedliche Konditionen auf das obligatorische und überobligatorische Guthaben an. Die überobligatorischen Umwandlungssätze wurden sie bereits auf unter 5 Prozent reduziert. Im Vergleich zu den teilautonomen Sammelstiftungen haben die Vollversicherer zusätzlich zum Gesetzgeber die eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) im Nacken, welche mit Argus Augen die Umwandlungssätze kontrolliert. Sie interveniert zügig, wenn sie mit den Leistungsversprechen der Vollversicherer nicht einverstanden ist.

Viele teilautonome Sammelstiftungen wenden einen umhüllenden Umwandlungssatz an, der für das gesamte Kapital gilt und tiefer als der BVG-Mindestumwandlungssatz ist. Es erfolgt kein Splitting des Altersguthabens, sondern eine Quersubventionierung des Obligatoriums zu Lasten des Überobligatoriums. Die Anwendung eines umhüllenden Satzes ist demzufolge nur möglich, wenn die gesamten Altersleistungen höher sind als die gesetzlichen Mindestvorgaben.

Die anhaltende Tiefzinsphase wird die Pensionskassen zwingen, die Umwandlungssätze weiter zu senken. Wie können die Versicherten vorsorgen? Josef Zopp vom Beratungsunternehmen Weibel Hess & Partner AG erklärt: «Pensionskassen werden ihre heutigen Leistungsversprechen nicht einhalten können. Wird das Rentenalter nicht erhöht, muss während dem Erwerbsleben mehr Kapital in der 2. Säule angespart werden. Andernfalls fehlt den zukünftigen Rentnern das Geld um den bisherigen Lebensstandard auch nur annährend zu halten.»

Die Diskussionen um die Altersfinanzierungen gehen zweifelsohne weiter. Politisch tragfähige Lösungen durchzusetzen, wird zunehmend schwieriger. Sollte es in den nächsten Jahren zu keiner Einigung kommen, reissen die Löcher weiter auf und eine einschneidende Rentenreform wird unumgänglich.